Prozess zwischen dem Bauern Thier (geb. Rötgermann) und dem Bauern Rötgermann um Herausgabe der zugesicherten Aussteuer.

 

Die beiden sind Brüder von Anna Maria Elisabeth Splaning, geb. Röthgerman am 13.07.1732 und verheiratet mit Johan Heidentreich Splaning am 12.07.1750. Sie ist meine Vorfahrin und von dem Prozess nur indirekt betroffen. Die Brüder sind sozusagen meine Onkel.

 

 

   Personen:

 

  Kläger: Jobst Hermann Thier, geb. Röttgermann am 09.05.1735 verheiratet mit Anna Maria Gertrud Thier am 11.07.1761, Eigenbehöriger der Hofkammer zu Münster

 

  Beklagter: Bernd Henrich Röttgermann, geb. am 25.05.1721, verheiratet mit Anna Elisabeth Isfort am 03.07.1751, Hoferbe und Eigenbehöriger des Grafen zu Bentheim und Steinfurt.

 

 

 

Sonntag, 12.07.1750

Meine Vorfahrin heiratet Johan Heidentreich Splaning.

 

Dienstag, 01.06.1751

Vor dem Notar Aulicke wird im Beisein von Bernd Röttgerman, seiner Frau Maria Jerwes, sowie den beiden o. g. Brüdern und drei weiteren Geschwistern das auszuzahlende Erbe für die abgehen-den Kinder detailliert benannt.

Bernd Henrich (30 Jahre alt) erhält, solange er den Hof noch nicht übernommen hat, 8 Reichstaler Knechtlohn. Jobst Hermann (16 Jahre alt) erhält 5 Reichstaler Gehalt. Heidentreich Splaning ist als Zeuge mit dabei.

 

Samstag, 03.07.1751

Der Beklagte Bernd Henrich Rötgerman heiratet Anna Isfort.

 

Sonntag, 11.07.1761

Der Kläger Jobst Herm Rötgerman heiratet Anna Thier.

 

 

Irgendwo hier muss der alte Bernd Röttgerman gestorben sein. Die Kirchenbücher beginnen mit Sterbeeinträgen erst ab 1763.

 

Freitag, 08.03.1765

Durch den Notar Abbenhues lässt der Kläger anfragen, ob der Kläger ihm sein Erbteil nun auszuzahlen will. Falls er das nicht tut, sieht er sich gezwungen, rechtliche Schritte einzuleiten. Der Beklagte antwortet, dass er dies wohl tun will, allerdings erst ab 1766.

 

Samstag, 16.12.1769

Der Anwalt Aulicke als Vertreter von Thier beantragt am fürstlich geistlichen Hofgericht zu Münster ein Gerichtsverfahren gegen Rötgermann. Der Richter Deitermann eröffnet eine Akte. Der Beklagte soll innerhalb von 15 Tagen gegen 10 Uhr bei Gericht im Paradies des Domes erscheinen.

 

Das Paradies im Dom war immer ein wichtiger Eingang, früher war die Halle halb geöffnet, sodass sie vermutlich ähnlich ausgesehen hat, wie die Bögen am Prinzipalmarkt, nur mit entsprechenden Heiligenfiguren.

Im ersten Stock, also nicht im unmittelbaren Durchgang, war ein Gerichtssaal, in dem bis Anfang des 16. Jahrhunderts auch ein wichtiges Archiv lag, welches dann abgebrannt ist. Vermutlich wird die Gerichtsverhandlung in diesem Raum stattgefunden haben.

 

Mittwoch, 10. Januar 1770

Aulicke gibt bei Gericht eine detaillierte Klage in acht Punkten ab.

   1.  Jobst Hermann ist ein Sohn von Röttgermans Erbe (Eltern Bernd Röttgermann und Maria Jerwes).

   2.  Ihm gebührt deshalb Aussteuer.

   3.  Es wurden ihm 170 Reichstaler, ein Kistenfüllung mit 10 Einzelteilen, ein Pferd, zwei Kühe, zwei Rinder und weiteres Mobiliar versprochen.

   4.   Am 14.06.1761 wurden ihm weitere 50 Reichstaler versprochen.

   5.   Nach dem Tode der Eltern sollte er durch den Hoferben Anfang 1766 ausgezahlt werden. Dies ist nicht geschehen.

   6.    Trotz Erinnerung an diese Abmachung (08.03.1765) erfolgte keine Auszahlung.

   7.     In den Jahren 1760 und 1761 hat er bei Rötgermann als Knecht gedient.

   8.     Daraus gebühren ihm noch 6 Reichstaler.

 

Dienstag, 20.03.1770

Eine Kopie der Klageschrift wird Rötgermann zugestellt.

 

Dienstag, 27.03.1770

Vorlage einer Vollmacht Rötgermans für den Anwalt Robrecht aus Horstmar.

 

Dienstag, 27.03.1770

Anwalt Robrecht gibt seine Einwände an.

   1.  Das wird nicht bezweifelt.

   2.  Das ist wahr, wenn der Gutsherr (Graf zu Bentheim/Steinfurt) dies bestimmt oder einwilligt.

   3.  Die Abmachung wird nicht angezweifelt, ist aber hinfällig, da der Gutsherr keine Zustimmung gegeben hat.

   4. Wie zu 3.

   5.  Ist hinfällig, da das Edikt des Gutsherren fehlt.

   6.  Wird nicht geleugnet. Aber eine Auszahlung findet nicht statt, siehe 3.

   7.   erledigt

   8.   Bitte um Abweisung der Klage und Übernahme der Kosten durch den Kläger.

 

Freitag, 20.04.1770

Vorlage der Vollmacht Thiers für den Anwalt Aulicke aus Münster

 

Samstag, 05.05.1770

Antwort des Anwalt Aulicke auf die Ausführungen des Anwalts Robrecht

   1.  Akzeptiert

   2. Akzeptiert

   3. Akzeptiert

   4. Da schon eine geringe Menge Geldes geflossen ist, wird dadurch der Anspruch des Thier bestätigt. Da der Gutsherr außer Landes wohnt (Burgsteinfurt und Bentheim!) ist die Einholung seiner Zustimmung nicht zumutbar.

   5.  Da der Beklagte nicht auf den Einwand direkt eingegangen ist, will er diesen als rechtmäßig anerkennen lassen.

   6. Keine Aussage hierzu

   7.  Die 6 Reichstaler sind im Anspruch eigentlich unerheblich

   8.  Klage von Thier als berechtigt annehmen

Da der Hof eines der besten Höfe weit und breit ist, scheint die Höhe des Erbteils durchaus gerechtfertigt.

 

Mai 1770

Es wird vom Kurfürsten eine Münstersche Eigentumsordnung erlassen, die auch Dinge wie Brautschatz und Hofübergabe regelt.

 

Donnerstag, 20.12.1770

Der Richter verkündet, dass der Anspruch am Brautschatz als solches anerkannt wird. Rötgerman hat jedoch mit dieser Urteils-verkündung einen Monat Zeit, beim Grafen zu Bentheim und Steinfurt eine Stellungnahme bezüglich der Rechtmäßigkeit dieser Vereinbarung einzuholen.

Der Graf wurde in der Vereinbarung von 1751 nicht benannt, er musste dem aber zustimmen.

Auf Grund des Eides von Thier schuldet Rötgerman ihm 6 Reichs-taler aus den Punkten 7 und 8.

 

Donnerstag, 10.01.1771

Aulicke und Thier erscheinen vor Gericht und beeiden ihre Version der Punkte 7 und 8.

 

Samstag, 09.02.1771

Neuer Gerichtsbescheid zu ungunsten Rötgermans. Er soll sein Vermögen offenlegen und hat dazu einen Monat Zeit.

 

Samstag, 17.03.1772

Aulicke gibt bei Gericht eine Kurzzusammenfassung (Libell) der Klage ab. Das Gericht fordert Rötgermann auf, seine Schuld um-gehend zu begleichen.

 

Sonntag, 05.04.1772

Aulicke fragt beim Gericht den Sachstand ab.

 

Donnerstag, 26.04.1772

Aulicke gibt erneut Vollmacht für Thier bei Gericht zu Protokoll ab.

 

Donnerstag, 01.10.1772

Ein Bescheid zugunsten von Thier ergeht. Eigentlich hätte Röt-germann im Jahr 1766 den Brautschatz auszahlen müssen, dies hat er jedoch nicht getan. Das Urteil des Richters ist dann aber eindeutig. Außerdem schuldet Rötgerman Thier einen sogenannten Liedlohn. Das ist Geld für Kinder, die im Haushalt mitgeholfen haben. Am 23.10. sollen beide Parteien zu einem Vergleich erscheinen.

 

Samstag, 24.10.1772

Bauer Rötgerman ist nicht gekommen. Die beiden Anwälte stehen vor Gericht und der Richter schlägt vor, dass Rötgerman monatlich 20 Reichstaler bezahlen möge. Der Anwalt Rötger-mans würde dem Vorschlag des Richters folgen, Aulicke muss erst bei seinem Klienten Thier nachfragen.

 

Samstag, 31.10.1772

Aulicke ist wieder bei Gericht und muß leider mitteilen, dass Thier dem Vorschlag des Richters nicht folgen möchte. Insbe-sondere die Auszahlung des Pferdes und der Kuh müssten sofort erfolgen. Über die weitere Bezahlung könnte dann eine Termi-nierung gefunden werden. Auch der ihm zustehende Liedlohn sollte sofort ausgezahlt werden. Insgesamt möchte er eine für ihn vorteilhaftere Regelung.

 

Samstag, 07.11.1772

Aulicke ist wieder bei Gericht. Es geht darum, dass der Kläger Thier es nun doch bei den ursprünglichen Zahlungsfristen, wie vom Richter vorgeschlagen, belassen will. Für die Änderung des folgenden Bescheids nimmt das Gericht 14 Schilling Gebühr.

Dann taucht Robrecht auf und legt dar, dass das gesamte Ge-richtsverfahren hinfällig und rechtswidrig sei, weil sein Mandant Leibeigen sei.

 

Donnerstag, 17.12.1772

Robrecht stellt seine Anwaltskosten bei Gericht ein.

 

Dienstag, 12.01.1773

Aulicke ist schon wieder bei Gericht. Er hinterlegt eine Akten-notiz, wonach Robrecht durch sein „Vergessen“ der Anzeige der Leibeigenschaft von Rötgerman gegenüber dem Grafen zu Steinfurt und Bentheim prozesswidrig gehandelt hat.

Das Gericht schreibt Rötgerman an. Nach einer längeren Zusam-menfassung des bisherigen Prozessverlaufes droht ihm das Gericht mit einem härteren Vorgehen, sollte er nicht innerhalb von 14 Tagen nach Zustellung des Briefes mit der Auszahlung beginnen. Das beinhaltet den Liedlohn in Höhe von 6 Reichs-talern, Pferd und Kuh sowie Gerichtsgebühren.

 

Donnerstag, 14.01.1773

Aulicke übergibt eine Aufstellung seiner Auslagen als Anwalts-rechnung.

 

Mittwoch, den 20.01.1773

Der Brief vom 12.01. wird der Ehefrau Rötgerman in Begleitung von zwei Zeugen übergeben, da der Ehemann nicht zuhause ist. Die Frau verspricht eine Übergabe bei der Heimkehr des Mannes.

 

Sonntag, 03.02.1773

Bericht eines örtlichen Beamten, dass Rötgermann noch nichts veranlasst hat.

 

Samstag, 15.05.1773

Eine weitere Protokollnotiz bei Gericht für Thier.

 

Dienstag, 01.06.1773

Aulicke gibt bei Gericht wieder eine Notiz in der Sache ab. Das Gericht gibt einen Bescheid an Rötgerman raus. Er hat nach Zustellung dieses Bescheides 14 Tage Zeit, das Pferd, eine Kuh , sowie den Liedlohn und eine bestimmte Summe Geld zu zahlen. Tut er dies nicht, wird ab dem 15. Tag eine Strafe von 300 Gold-gulden gegen ihn fällig. Angedroht wird auch schon eine schär-fere Strafe angedroht, sollte er weiter in Verzug geraten.

 

Freitag, 04.06.1773

Der Bescheid vom 01.06. wird der Tochter Maria Christina des Bauern Rötgerman durch den Notar Hecker im Beisein von zwei Zeugen übergeben. Sie verspricht, den Brief an den Vater weiter-zugeben, sobald er wieder zuhause ist.

 

Mittwoch, 09.06.1773

Rechtsanwalt Heggelmann erhält eine Prozessvollmacht von der Domänenkammer  des Grafen zu Bentheim und Steinfurt. Sofort danach setzt er ein Schreiben an den Richter zu Münster auf. Darin wird der gesamte Prozess als hinfällig bezeichnet, da der Graf bzw. seine Domänenkammer der Erbteilung, sowie der Brautschatzregelung im Vorfeld nicht zugestimmt haben. Damit wären sämtliche vertraglichen Regelungen im Vorfeld hinfällig. Der Anspruch auf Liedlohn für Bauer Thier wird ebenfalls bestritten und verneint.

 

Samstag, 12.06.1773

Aulicke hinterlegt eine weitere Rechtsanwaltsrechnung bei Gericht.

 

Montag, 14.06.1773

Auf Anweisung von Rechtsanwalts Heggelmann, wird eine Kopie einer Prozessvollmacht vom 09.06. der Ehefrau Rötgermann durch Hecker im Beisein von zwei Zeugen übergeben. Der Ehe-mann ist wieder nicht zuhause. Rötgerman hat jetzt also eine Abschrift.

 

Samstag, 26.06.1773

Rechtsanwalt Heggelman übergibt das Schreiben vom 09.06.  an das Gericht in Münster.

 

Donnerstag, 16.12.1773

Wenig überraschend gibt Aulicke bei Gericht zu Protokoll, dass sich durch die Äußerungen des Rechtsanwalts Heggelman nichts an der Situation geändert hat und dieser nichts neues in der Sache beigebracht hat. Das stimmt wohl, siehe Äußerungen von Robrecht zu einem frühen Prozesszeitpunkt.

 

Samstag, 12.02.1774

Per Gerichtsurteil wird der Einwand von Rechtsanwalt Heggel-man in Bausch und Bogen abgelehnt.

 

Freitag, 06.05.1774

Heggelmann verfasst eine Gerichtsnotiz, die er am nächsten Tag in Münster vorlegt.

 

Samstag, 07.05.1774

Heggelmann erscheint bei Gericht un d übergibt die Notiz. Darin legt er dar, dass gemäß der Münsterischen Eigentumsordnung vom Mai 1770 (3. Teil, 4. Abschnitt, § 7) die Auszahlung einer Aussteuer/Brautschatz ohne Zustimmung des Gutsherren unzulässig ist. Dabei weist er daraufhin, dass es im Gesetz ohne Belang ist, ob der Gutsherr Einheimischer oder Auswärtiger ist.

Die Grafschaft Bentheim -Steinfurt war um diese Zeit Ausland!!

 

Samstag, 21.05.1774

Aulicke übergibt eine weitere Aufstellung seiner Gebühren und Auslagen.

 

Leider endet die Akte hier ohne ein rechts- und endgültiges Urteil.

 

Mein Fazit: Das eigentliche  Gerichtsverfahren könnte sich von der reinen Dauer, bzw. vom Tempo der Stellungnahmen auch mit heutigen Verfahren messen. Interessant finde ich, dass erst der Anwalt Heggelmann auf eine gesetzliche Regelung verweist. Davor wird eher an das Ehrgefühl und althergebrachte Heran-gehensweisen appeliert. Der Verweis auf die Münsterische Eigentumsordnung hätte aber vom Richter schon ab 1770 kommen müssen. Das ist aber nicht geschehen.